Kleiner Hase oder die Sache mit der Freiheit

Es war Ende Oktober. Und obwohl die Sonne schien war es kalt. Zwischen den Baumstümpfen und Wurzeln einer gerodeten Waldlichtung duckte sich ein ganz kleiner Feldhase an den Boden. Zwei Krähen hatten den kleinen Kerl auch schon entdeckt. Durch lautes krächzen, schienen sie sich gerade zu verständigen, wann sie die Sache klar machen würden. Erst musste ich außer Sichtweite sein. Dann würden sie kommen, da war ich mir sicher.Was war besser? Ein Tod durch die Krähen oder verhungern?

So klein, würde er den Winter eh nicht überleben, dass war sicher.
Ich konnte also gar nicht anders. Ich musste den Kleinen retten.
Und nach ein paar Versuchen, ihn zu fangen, hatte ich ihn endlich in meiner Mütze. Die Kinder zu Hause würden sich bestimmt freuen. Wie meine Frau reagieren würde war dagegen nicht so klar. Ich hoffte, dass Sie von der Freude der Kinder über den kleinen Kerl angesteckt wird.
Meine Spannung war also groß. Zu Hause angekommen holte ich ihn aus der Tasche. Und so wie er die wieder erlangte Freiheit spürte, sprang er auf den Boden und war, ehe die Familie richtig Notiz nehmen konnte, hinter dem Küchenschrank verschwunden. Seine Angst war sicher zu stark. Auch nach dem wir ihn mit viel Mühe wieder hinter dem Schrank vorgeholt hatten, war er durch nichts zu beruhigen. Die darauf folgenden Tage waren anstrengend. Selbst die Milch aus der Flasche nahm er nur widerwillig. Es sah ganz danach aus, als ob uns ein außergewöhnlicher Winter bevor stand. Alle Bemühungen, den kleinen Hasen zu beruhigen waren umsonst. Die Kinder verloren bald das Interesse. Es gab kein Füttern oder Streicheln ohne Fluchtversuch. Da hatte ich uns ja was eingebrockt.
Ja ja, man nimmt kein Wildtier mit nach Hause. Nach dem die ganze Familie, mehrere Wochen mit viel Liebe und Geduld versucht hatte dem Kleinen Kerl, ich weiß bis heute nicht ob es Männchen oder Weibchen war, ein Heim zu geben, musste ich, sein Retter, wieder allein für ihn sorgen.
Zum Glück fraß er jetzt schon alles was ein richtiger Hase so frisst, aber nur wenn niemand in der Nähe war. Darum beschloss ich ihn nach draußen, zu den Stallkaninchen zu bringen. Er bekam eine eigene Box, höher und breiter als die anderen, und polsterte alles gut mit Stroh aus, so dass er sich hier wohl fühlen konnte. Von jetzt ab konnten wir ihn durch das Fenster des Arbeitszimmers beobachten, ohne ihn zu stören. Er machte weiterhin seine Fluchtübungen in dem er mehrmals am Tag eine Art Strecksprung an der Tür seines Stalles übte. Mit den Vorderpfoten aufrecht, trainierte er weiter seine Flucht. Er wuchs zusehends. Alle, die prophezeit hatten, dass er in Gefangenschaft nicht lange überleben würde, waren jetzt im Unrecht. Das war zumindest ein kleiner Erfolg, auch wenn bis hier alles anders gelaufen war als gedacht. Und so brachte meine Frau eines Tages, ganz nebenbei und vorsichtig, Rezepte mit Wildhase ins Gespräch. Ein neues Jahr hatte begonnen. Und aus dem einst kleinen Häschen war ein Junghase geworden. Er war immer noch kein bisschen zutraulich. Wenn ich Futter brachte, saß er immer geduckt in seiner Ecke. Er schien einen Fluchtplan zu haben und wartete nur noch auf eine passende Gelegenheit. Wenn ich in voller Breite vor der Stalltür stand, hatte er wenig Chancen an mir vorbei zu kommen. Wenn ich mich bückte, war ich mir sicher, dann würde er sofort die Gelegenheit nutzen und über mich hinweg ins Freie springen. Also blieb ich konzentriert, bis der Riegel wieder vorgeschoben war. Wenn es jemand interessiert, schreibe ich auch noch das Ende der Geschichte.

1 Kommentar

  1. Chris

    mich würde es interessieren

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